Nemak Wernigerode GmbH | 38855 Wernigerode
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MEUSELWITZ GUSS Eisengießerei GmbH | 04610 Meuselwitz
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Zugegeben: Wenn ich heute alten Kommilitonen erzähle, dass ich in Halle (Saale) als Gießereiingenieur arbeite, ernte ich manchmal schräge Blicke. Wer, bitteschön, will 2024 noch in der Gießereitechnik sein Glück suchen? Mein Gefühl dazu: Wer sich auf diesen Beruf ernsthaft einlässt, der lernt Demut und Stolz zugleich. Klingt groß? Vielleicht. Aber beim ersten Riss im Gussblock vergeht einem jede Allüren-Eitelkeit – da helfen kein Ingenieurstitel, keine Simulation, höchstens Erfahrung und ein bisschen Bauchgefühl. Es ist eine Mischung aus uralter Tradition und Hightech, zwischen Ruß und KI, die diesen Job in Halle so… eigensinnig macht.
Die Aufgabe? Kurz gesagt: aus Metall und Simulation Wert schaffen. Natürlich klingt das diplomierter, wenn man von Legierungsentwicklung, Formfüllverhalten, Prozesstechnik und Qualitätssicherung spricht. Aber am Ende des Tages ist es der Spagat zwischen Werkstoffkunde, Fertigungskunst und Prozessinnovation – selten sauber getrennt. In Halle (Saale) mischt sich dazu eine spezielle Traditionsschwere. Klar, die Stadt kennt den Guss seit Generationen: Denkmalgeschützte Fassaden, Industriehistorie allgegenwärtig, aber auch Forschungscluster und das, ja wirklich, einzige Gießereiinstitut Ostdeutschlands, das international Beachtung findet. Mag trocken klingen, bewahrt aber Wissen, das anderswo schon längst unter die Räder der Automatisierung gekommen ist.
Manchmal denke ich, es ist eine der letzten Zünfte, in der Einstiegswillige durchaus Chancen finden – vorausgesetzt, sie gewöhnen sich an den beständigen Ton der Wandelwut in der Branche. Die Gießereien suchen Leute mit einer selten gewordenen Kombi aus Werkstoffverständnis, Problemlöseinstinkt (im Zweifel hilft eine Prise Selbstzweifel) und Aufgeschlossenheit gegenüber Digitalisierungstrends. Gerade in Halle verändert die Nachfrage nach Leichtbaukomponenten und schadstoffarmen Prozessen das Jobprofil: Wer heute in Sachen Prozessdaten, Additive Manufacturing oder sogar Guss-Simulation irgendeine Ahnung hat, ist begehrt wie Sauerbier zur Unizeit – nur eben besser bezahlt.
Über Zahlen wird selten offen geredet – und trotzdem weiß jeder, worum es ungefähr geht: Für Berufsanfänger bewegt sich das Einstiegsgehalt meist zwischen 3.000 € und 3.400 €, mit ein paar Jahren Erfahrung lassen sich (je nach Betrieb und Spezialisierungsgrad) durchaus 3.600 € bis 4.400 € erzielen. Klingt solide – ist es auch, wenn man die Arbeitszeiten und die zum Teil nicht unerheblichen Belastungen in die Gleichung aufnimmt. Wer sich an Nachtschichten oder Schraubenschlüssel-Finger nicht stört, wird damit leben können. Aber Vorsicht: Die Digitalisierung macht auch vor diesem Beruf nicht halt. Immer mehr Prozesse wandern digital ins Büro oder gar nach Hause. Was als flexible Lösung verkauft wird, ist manchmal einfach nur verschleierter Druck, immer und überall „auf Linie“ zu sein.
Einmal hatte ich den Auftrag, eine dünnwandige Alulegierung aus dem Labor- in den Produktionsmaßstab zu heben. Ergebnis: Zwei Wochen voller Fehlversuche, eine halbe Million verbrannt – und plötzlich eine zündende Idee vom Azubi, der eigentlich nur über die Reinigung gestolpert war. Was das zeigen soll? Gießereiingenieure brauchen Toleranz gegenüber Scheitern, offene Ohren und gelegentlich die Fähigkeit, aus der Not eine Tugend zu machen. Gerade in Halle mit seinem Sammelsurium unterschiedlichster Betriebe – von großen Gusswerken bis hin zu verschrobenen Spezialanbietern – wird niemand zum Einzelkämpfer, der überleben will. Manchmal ist es der kurze Flurfunk mit der Gießerin aus dem Nachbarbereich, der eine festgefahrene Situation löst.
Ob nun Traditionsbewusster, Tüftler oder Visionär – der Beruf des Gießereiingenieurs ist in Halle alles, nur nicht stromlinienförmig. Technologischer Wandel, Fachkräftemangel und strukturelle Eigenwilligkeiten der Region sorgen für Dynamik. Sicher: Frühaufsteher-Bonus und eine gewisse Unempfindlichkeit gegen Staub werden nach wie vor verlangt. Aber für alle, die Lust haben, historische Technik mit moderner Simulation und digitalem Zwischenspeicher aufzumischen, ist Halle ein eigenartiger, aber spannender Schauplatz. Kein Job wie jeder andere, eher ein manchmal störrischer Begleiter – wenn einen das nicht abschreckt, dann lohnt sich der Blick hinter die Werkshallenfassade.
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