Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) | 07743 Jena
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Hand aufs Herz: Wer an Geoinformatik denkt, malt sich gern die große digitale Landkarte aus. Irgendwo zwischen schwebenden Drohnen, Satellitendaten und smarten Städten, die aus lauter bunten Punktwolken zu bestehen scheinen. Leipzig, alte Handelsmetropole mit immer noch rauen Ecken, ist da vielleicht auf den ersten Blick keine Tech-Spielwiese á la München oder Hamburg. Aber unterschätzen sollte man den Berufsalltag hier nicht. Es gibt sie wirklich, die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft, in der sich Geoinformatiker zurechtfinden müssen – und manchmal eben auch zurechtrücken.
Was viele unterschätzen: In Leipzig ist der Beruf ein ziemliches Chamäleon. Zwischen traditioneller Stadtplanung, öffentlicher Verwaltung und technologiegetriebenen Start-ups spannt sich ein Spielfeld auf, bei dem sich das eigentliche Berufsfeld immer weiter auffächert. Mal sitzt man in einer städtischen Behörde und zerlegt Flächennutzungspläne in digitale Layer. Mal arbeitet man für eine Ingenieursgesellschaft und modelliert Starkregenszenarien, die mit der Realität in Grünau oft wenig zu tun haben. Und dann gibt es noch die hippen GIS-Agenturen im Graphischen Viertel, die mit Wortneuschöpfungen wie „GeoAI“ jonglieren, als gäbe es keine alten Stadtpläne mehr.
Jemand, der frisch aus dem Studium kommt, mag sich rasch von der Fülle an Tools und Standards erschlagen fühlen. QGIS, ArcGIS, FME, PostGIS – als hätte jedes zweite Kürzel mehr Bedeutung als das letzte. Aber ganz ehrlich: Theorie und Wirklichkeit klaffen auseinander. Die schönste 3D-Visualisierung bringt nichts, wenn die Datenqualität löchrig wie ein Altbauplafond daherkommt. Und dass man als Geoinformatiker in Leipzig immer wieder mit einem Fuß im Kaffeesatzlesen steht, wird selten erwähnt. "Jo, modellieren Sie mal, wie das mit den E-Tretrollern läuft, und bringen Sie den Denkmalschutz gleich mit unter!" Solche Aufgaben sind hier keine Seltenheit. Ich habe schon erlebt, wie ein vermeintliches Großprojekt im Geoinformationsamt still und leise versandet ist, weil ein entscheidender Datensatz fehlte. Oder weil der Datenschutz plötzlich Oberwasser bekam. Leipzig-typisch: große Pläne, bodenständige Umsetzung.
Klartext zur Bezahlung: Das Einstiegsgehalt ist, vorsichtig gesagt, solide, aber selten Grund für echte Freudensprünge. Zwischen 2.800 € und 3.400 € rangieren die meisten Angebote für Berufseinsteiger – wobei staatliche Arbeitgeber meist zur unteren Grenze tendieren. Wer in Richtung Privatwirtschaft schielt, vor allem auf Consulting und größere Softwarehäuser, kann eher mit 3.200 € bis 3.800 € rechnen, vorausgesetzt die Zusatzqualifikationen stimmen. Übrigens: Wer auf „große Sprünge“ wartet, ohne sich weiterzubilden, wird in Leipzig schnell eingeholt – Digitalisierung macht vor alten Fachämtern und Hidden Champions nicht halt. Spezialisierung auf Fernerkundung, Machine Learning oder Umweltmodellierung? Nicht der schlechteste Weg, wenn man langfristig Wertschöpfung im eigenen Aufgabenfeld sehen will. Aber man darf sich nichts vormachen: Leipzig bleibt zurückhaltend. Selbst mit Engagement schlummert der ganz große Karriereturbo eher anderswo.
Berufseinsteiger, Umsteiger – sie alle merken irgendwann, dass die geoinformatische Landschaft hier von widersprüchlichen Impulsen lebt. Einerseits gibt es eine Fülle an Weiterbildungen, Kooperationen mit Forschungseinrichtungen, ja sogar gelegentliche Sprünge in die Verkehrsplanung oder Umweltpolitik. Andererseits: Trägheit im System schlägt trotz Innovationsdruck regelmäßig zu. Wer sich nicht laufend weiterbildet – sei es in Programmierung (Python lässt hier längst die Beschriftungsschablone hinter sich) oder Datenanalyse –, wird zum Datenhamster und sieht die große räumliche Perspektive nie. Leipziger Alltag eben: Man kann mit der passenden Haltung erstaunlich viel bewegen, wenn man den Mut zur Lücke behält. Geoinformatik als Beruf in Leipzig – das ist kein Selbstläufer, aber auch kein Glücksspiel. Irgendwo dazwischen, mit Tendenz zum Aufbrechen alter Strukturen, sobald der Blick auf die Landkarte ehrlich ausfällt.
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