FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige | Frankfurt am Main
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Gemeinde Großkrotzenburg | 63538 Großkrotzenburg
Stadt Königswinter | 53639 Königswinter
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Wenn ich über den Berufsbereich Flüchtlingshilfe in Wiesbaden schreibe, fallen mir als Erstes zwei Dinge ein: ein überraschender Realismus und eine beinahe schon trotzig anmutende Hoffnung. Irgendwo zwischen Papierbergen, Daf-Kursen (wer sich davon nicht irgendwann die Zunge verknotet hat, der lügt!) und dem täglichen Jonglieren mit Menschenschicksalen entfaltet sich hier ein berufliches Feld, das wenig mit Charity-Kitsch zu tun hat. Das Bild: viele motivierte Menschen, aber auch eine Menge Frustpotenzial – mit der Stadt Wiesbaden als klarem Schauplatz, der beides auf spezielle Weise mitprägt.
Wer sich – ob frisch von der Uni, mit ein paar Berufsjahren auf dem Buckel oder in einer Phase zwischen zwei beruflichen Häuten – diesem Arbeitsfeld nähert, begegnet zunächst einem Mikrokosmos, der irritierend vielseitig ist. Typische Aufgaben? Tja, da wäre das Vermitteln zwischen Behörden(stimmen), den Sprach- und Herkunftswelten der Klient:innen, das Begleiten in Behördenmarathons (tatsächlich, manchmal erinnert das eher an einen Ultralauf als an Verwaltung), psychosoziale Beratung im Kleinformat – und nicht selten auch schlicht: Zuhören, Kümmern, Organisieren. Was man selten im Jobprofil liest: Man bringt zur Not auch mal ein Paar Schuhe vorbei, weil irgendjemand nachts im Lager vergessen wurde. Und dann die nächste Fallkonferenz – per Zoom, versteht sich, denn die Digitalisierung, die ist in Wiesbaden mal ganz charmant und mal ein Fall fürs Geduldstraining.
Gibt es den „klassischen Werdegang“ in der Flüchtlingshilfe? Ach, das wäre zu einfach. Klar, Sozialpädagogik, Sozialarbeit oder Migrationspädagogik liefern gutes Rüstzeug. Aber ich treffe auch Quereinsteiger:innen aus völlig anderen Bereichen – von Gesundheitswesen über Verwaltung, manchmal sogar aus der IT oder der Kulturvermittlung – je nachdem, welche Zugangswege und Weiterbildungen genutzt wurden. Übrigens: Aktuell sind Zusatzqualifikationen wie Traumapädagogik, systemische Beratung oder Sprachmittlung in Farsi, Arabisch oder Ukrainisch ziemlich gefragt. Was die teils erstaunlich kleinteiligen Weiterbildungsangebote angeht – Wiesbaden punktet mit einem recht differenzierten Netzwerk. Das mag am föderalen Zickzack liegen, das garantiert aber auch: Ohne Bereitschaft zum fortwährenden Lernen bleibt man in diesem Feld schnell auf der Strecke.
Und wie sieht es mit den recht handfesten Dingen aus? Die Arbeitsmarktsituation in Wiesbaden ist spannend, um nicht zu sagen paradox. Immer wieder Mangellage, personelle Engpässe, deutlich wahrnehmbare Fluktuation – gleichzeitig ein konstant hoher Bedarf an fachlich versierten Kräften. Warum eigentlich? Die Antwort: Vorschriften, Vorgaben, die Schwankungen bei Ankunftszahlen – und (pardon) der Hang, Aufgaben nach Schema F zuzuweisen, die dann doch nach Improvisationstalent verlangen. Gehaltlich ist es oft ernüchternd, wenn man Idealismus und Lebenshaltungskosten gegenüberstellt. Einstiegsgehälter bewegen sich grob gesagt im Bereich von 2.800 € bis 3.200 €, für erfahrene Fachkräfte oder mit Zusatzqualifikationen sind 3.500 € bis 4.000 € möglich. Das ist solide, aber selten Anlass für Freudenfeuer auf dem Konto. Wer im kommunalen oder kirchlich-sozialen Bereich angestellt ist, profitiert von geregelten Arbeitszeiten, aber – Realismus, nochmal – die zeitliche Flexibilität (nennen wir es freundlich „Jonglieren mit Überstunden“) bleibt trotz Arbeitszeitregelung ein ständiger Begleiter.
Was viele unterschätzen: Die emotionale Dimension. Man erlebt neben kleinen „Erfolgsfällen“ auch die Ohnmacht, wenn Integrationshemmnisse, aufenthaltsrechtliche Sackgassen oder schlicht ein Nein aus der nächsten Amtsstube den Fortschritt blockieren. Manchmal habe ich mich persönlich gefragt: Wie viel kann man aushalten, ohne abzustumpfen – und wie bleibt man trotzdem handlungsfähig? In Wiesbaden, einer Stadt, die von sozialer Vielfalt, aber eben auch von Gegensätzen geprägt ist, kommt diese Erfahrung schneller als man denkt. Das Gute daran: Es wächst eine professionelle Solidargemeinschaft, in der gegenseitiger Austausch nicht nur Floskel, sondern Selbsterhaltungsmechanismus ist. Und hin und wieder, ganz unerwartet, kommt ein sehr direktes Dankeschön von Menschen, für die man eben doch mehr als nur eine Akte war. Das sind die Momente, von denen ich behaupte: Sie machen das Jonglieren in der Flüchtlingshilfe nicht unbedingt einfacher, aber sicherlich sinnvoller.
Ob der Job ein Spaziergang ist? Wohl kaum. Aber für alle, die in Wiesbaden ein Stück gesellschaftliche Reibung aushalten, die sich nicht scheuen, in Wachstumszonen zu arbeiten, wo der „Erfolg“ manchmal eher eine unsichtbare Spur hinterlässt, lohnt sich genau dieses Berufsfeld. Und manchmal, da staunt man selbst, wie viel Gestaltungsspielraum sich zwischen Aktenstapeln, Sprachkursen und Kaffeesatzlesen im Teamgespräch auftut. In diesem Sinne: Es ist eine Herausforderung – aber eine, der man durchaus die Stirn bieten kann.
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