Living Quarter GmbH | 14461 Potsdam
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FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige | 10115 Berlin
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Zugegeben, wer erwartet schon, dass ein Berufsbild im Bereich Flüchtlingshilfe Klarheit und Struktur bietet wie ein Handbuch für Steuerfachangestellte? Vieles ist improvisiert, manches bewegt sich im dauerhaften Ausnahmezustand, und dennoch: Für alle, die jetzt überlegen, einzusteigen oder die Seite zu wechseln – nach Jahren irgendwo zwischen Verwaltung, Sozialarbeit oder gar Gastronomie –, ist Potsdam alles andere als langweilig. Ich sage das ganz bewusst, weil ich den Büroraum in Babelsberg, in dem schon halb Polen auf Durchreise war, noch bildlich vor mir sehe. Der Alltag schwankt zwischen Sinnstiftung und Frustration – letzteres oft, wenn das nächste Gesetz aus Berlin kommt und wieder alles auf den Kopf stellt. Aber vielleicht ist gerade das der Reiz: Kein Tag wie der andere.
Es gibt in Potsdam nicht „die“ Flüchtlingshilfe. Vielmehr ist das ein Netzwerk aus freien und öffentlichen Trägern, Kommunen, Landesbehörden und ehrenamtlich Engagierten – mal hochprofessionell organisiert, mal blitzschnell aus dem Boden gestampft, weil der Bus aus Lublin einen Tag zu früh kommt. Das Spektrum der Jobs reicht vom Sozialbetreuer über psychologisch geschulte Kräfte bis zur juristisch versierten Beratung. Typisch? Gibt es nicht. In Potsdam mischen sich Absolventen der Sozialarbeit, engagierte Quereinsteiger und Leute mit Sprachen, die man sonst nur im Urlaub hört – Arabisch, Tigrinya, Russisch. Wer glaubt, hier reiche Empathie, der liegt falsch: Bürokratisches Fingerspitzengefühl ist gefragt, Hartnäckigkeit und die Aura eines diplomatischen Dolmetschers.
Fachlich reicht das Spektrum von rechtlichen Grundkenntnissen (manchmal reicht auch Grundnervenkostüm – das Asylrecht ist und bleibt ein Spezialgebiet), psychologischer Resilienz, Basiswissen im interkulturellen Bereich bis hin zum souveränen Umgang mit Software, deren Benutzeroberfläche mich bis heute an Windows 95 erinnert. Wer strukturiertes Arbeiten mag – hier eine kleine Warnung: Spontane Einsätze, Kriseninterventionen und Sitzungen, die sich in den Feierabend ziehen, gehören zum Berufsalltag. Initiative ist Gold wert, Augenmaß noch mehr – manchmal sogar gesunder Menschenverstand. Und trotzdem wird Weiterbildung großgeschrieben. Potsdam fördert Sprachkurse, Traumapädagogik-Seminare, Methoden gegen sekundäre Traumatisierung – alles andere wäre fahrlässig. Die Stadt weiß selbst, dass die Aufgaben komplexer werden: Mit immer neuen Herkunftsländern, verschärften Gesetzeslagen und digitalisierten Verwaltungsprozessen sind Fortbildungen nicht mehr Zierde, sondern Überlebensstrategie.
Kommen wir zum – oft gut verdrängten – Thema Geld. Einstiegsgehälter in Potsdam liegen meistens irgendwo zwischen 2.700 € und 3.200 €, je nach Qualifikation, Träger und Verantwortungsbereich auch höher. Wer mit langjähriger Erfahrung, Zusatzqualifikation oder Leitungsfunktion antritt, kann bis 3.800 € oder mehr erreichen. Das klingt, je nach persönlicher Erwartung, nach einer Mischung aus fair und: „Da könnten andere Branchen aber leichter locken.“ Doch Geld ist hier selten das Hauptmotiv. Was den Arbeitsalltag in Potsdam oft besonders macht, ist die gewisse Nähe von Verwaltungsspitze zu Basis. Viele Teams funktionieren, weil sie Herzlichkeit mit einem trockenen Humor verbinden – und sich gegenseitig auffangen, wenn mal wieder ein Fall an der Bürokratie scheitert. Ein mittelgroßes Wunder angesichts der permanenten Umsteuerungen durch neue Fördermittel oder aufkommensstarke Ankunftswellen seit 2022. Was viele unterschätzen: Die emotionale Fallhöhe ist enorm – es gibt Tage, an denen man wenig bewirken kann, und wieder andere, die man nicht mehr vergisst. Im Guten wie im Schlechten.
Vielleicht ist Potsdam ein Sonderfall im Brandenburger Kontext. Die Nähe zu Berlin spült neue Problemstellungen aufs Tableau, sorgt aber auch für eine Art Innovationsdruck: Wer am Zahn der Zeit bleiben will, muss Digitalisierung nicht nur „mitdenken“, sondern täglich abarbeiten. Gerade im Bereich Verwaltung und Dokumentation werden neue Tools eingeführt, die vielerorts für Stirnrunzeln sorgen. Und während die öffentliche Debatte um Zuwanderung schwankt zwischen Solidarisierung und erhitzten Stammtischparolen, stehen die Praktiker in der Flüchtlingshilfe mittendrin. Gerade deswegen sind Belastbarkeit und Offenheit keine Kür – sie sind der Mindestlohn für das eigene Seelenleben. Warum sich das trotzdem noch lohnt? Weil jede gelöste Alltagsfrage, jeder kleine Erfolg, der Blick in ein erleichtertes Gesicht, das große Ganze wieder erden kann. Vielleicht, so mein Eindruck, geht es in diesem Bereich weniger um Heldenmut, sondern mehr um den manchmal anstrengenden, aber lohnenden Versuch, Normalität in Ausnahmesituationen zu schaffen. Und dafür ist Potsdam, bei allen Baustellen, das ideale Labor.
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