Siemens AG | 47803 Krefeld
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Siemens AG | 47803 Krefeld
Wer in Essen als Feinwerkingenieurin oder -ingenieur startet, taucht nicht einfach in ein Berufsfeld ein. Man landet in einer Nische, irgendwo zwischen Maschinenbautechnik, klassischem Handwerk und digital gesteuertem Hightech – ja, Essen bringt die Facetten dieser Disziplin auf eine ganz eigene Weise zusammen. Was viele unterschätzen: Hier ausgebildet zu sein, heißt meist, mit beiden Beinen im Maschinenraum des Fortschritts zu stehen und trotzdem ein Stück Ruhrgebietskultur in sich zu tragen. Klingt pathetisch? Vielleicht. Aber wenn ich in den Hallen all die Messuhren, CNC-Bänke und Steuerpulte sehe, denke ich jedes Mal: Präzision ist für diese Stadt nicht nur ein Produktmerkmal, sondern fast schon eine Haltung.
Die typischen Aufgaben sind vermutlich bekannt – Bauteile entwerfen, fertigen, anpassen, prüfen, montieren, regelmäßig auch Bauteilprototypen evaluieren oder Versuchsaufbauten im Laboralltag auf Herz und Nieren testen. Doch die Unterschiede zur klassischen Fertigungstechnik fallen sofort ins Auge: Man hantiert hier mit winzigen Toleranzen, feinstem Werkzeug, oft auch mit einer bemerkenswerten Sorgfalt, die man im lauten Großbetrieb des Stahlwerks so kaum findet. Besonders auffällig in Essen: Die Schnittmenge aus alten Industrieanlagen, jungem Mittelstand und Forschungseinrichtungen, z. B. rund um den Campus oder spezialisierte Entwicklungsstandorte Richtung Süden, sorgt für eine bunte Mischung an Aufträgen. Es gibt Tage, da sitzt man plötzlich zwischen zwei Welten: Vormittags in der Feinmontage für einen Medizintechnikbetrieb, nachmittags im Digitalisierungsworkshop eines Automobilzuliefers. Das kann Nerven fordern – aber langweilig wird es so schnell nicht.
Ein heißes Eisen, das viele Berufseinsteiger umtreibt, ist ohne Frage das Thema Gehalt. Je nach Betrieb, Spezialisierung und eigenem Vorwissen liegt das Einstiegsgehalt in Essen häufig zwischen 2.800 € und 3.200 € – nicht schlecht im regionalen Vergleich, aber eben doch weiter weg vom Image des „Robotik-Ingenieurs“, wie es manche Serien propagieren. Wer Berufserfahrung mitbringt und bereit ist, in die Eine oder andere Überstunde zu investieren (und, ja, das kommt durchaus vor), kann auch deutlich höhere Sprünge wagen: Spezialisierte Fachkräfte landen hier derzeit nicht selten bei 3.400 € bis 3.800 €. Auffällig: Die Gehaltsstruktur ist oft weniger von der Unternehmensgröße als von der tatsächlichen Projektverantwortung und Innovationskraft des Betriebs geprägt – sprich, in kleinen Firmen mit Prototyping-Schwerpunkt kann’s manchmal steiler aufwärts gehen als im vorbildlich-verwalteten Großbetrieb. Ich würde hier sogar eine Lanze für die „Hidden Champions“ brechen, also jene wenig bekannten Technologiebetriebe, die – fernab vom Scheinwerferlicht – für die hybride Fertigung der Zukunft arbeiten.
Was die Anforderungen betrifft: Flexibilität ist das Zauberwort. Viele Betriebe in Essen stemmen sich gegen den Wandel mit einem erstaunlichen Mix aus Weiterbildungswillen und Pragmatismus. Die alten Meister sehen zwar bisweilen skeptisch auf Innovationen wie kollaborative Roboter oder digitale Zwillingsmodelle – aber selbst der traditionsbewussteste Betrieb weiß inzwischen, dass ohne Weiterqualifizierung und digitales Know-how kaum noch neue Aufträge zu holen sind. Häufig werden interne Workshops zu Software-Anwendungen, CAD-Weiterbildungen oder – für Mutige – Einführungskurse in additive Fertigung angeboten. Der regionale Vorteil liegt auf der Hand: Das dichte Netzwerk aus Handwerkskammer, spezialisierten Schulungszentren und industrienah aufgestellten Hochschulen macht das „Auffrischen“ des eigenen Werkzeugkastens einfacher als andernorts. Wobei – manches muss man sich trotzdem selbst beibringen. Niemand in Essen wartet darauf, dass man klassische Feinstmechaniker-Kniffe digitalisiert serviert bekommt.
Und dann ist da noch dieser gewisse Essener Pragmatismus. Wer hier anfängt – ob frisch von der Schule oder als wechselbereite Fachkraft –, spürt sofort: Theorie ist gut und schön, aber im Produktionsalltag zählt, wie man mit plötzlichen Störungen, fehlenden Bauteilen oder ganz realen Problemen im Schichtbetrieb umgeht. Ich habe den Eindruck, dass genau diese Bodenständigkeit – kombiniert mit dem Willen, nicht stehenzubleiben – in Essen derzeit sogar das größte Plus darstellt. Klar, Digitalisierung, Automatisierung, Nachhaltigkeit – das alles findet auch hier statt, und es gibt genug innovative Betriebe, die diese Trends aufgreifen. Aber ohne den typischen Ruhrpotthintergrund, das „Wir packen’s an“, bliebe vom Feinwerken zwischen Chemie, Maschinenbau und MedTech wohl nicht viel mehr als ein Schlagwort im HR-Bericht. Und sind wir ehrlich: In keiner anderen Stadt lernt man so beiläufig zwischen Alt und Neu zu jonglieren, wie in Essen. Das kann verdammt anstrengend sein. Aber genau deshalb lohnt es sich.
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