Lindenbräu am Potsdamer Platz | 10115 Berlin
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Lindenbräu am Potsdamer Platz | 10115 Berlin
Potsdam. Wer hier an Etagenkellnerinnen und -kellner denkt, hat meist das Bild makellos gekleideter Servicekräfte vor Augen – freundlich, geduldig, stets mit dem richtigen Spruch auf den Lippen. Ein nettes Klischee, das, offen gesagt, manchmal ganz schön an der Realität vorbei rauscht. Denn wer Tag für Tag durch die Flure der Potsdamer Hotels und Gästehäuser eilt, weiß: Dieser Beruf ist keine statische Dienstleistung, sondern ein Spagat aus Logistik, Menschenkenntnis und Improvisationstalent – und das gerade in einer Stadt, die zwischen Barockglanz und touristischer Massenware alles bieten kann, nur eben keinen Alltag von der Stange.
Die Potsdamer Hotellerie lebt von Kontrasten – und ihre Etagenkellner mittendrin. In alten Villen mit Flair ist oft Fingerspitzengefühl gefragt, wenn Gäste aus Übersee mit Ansprüchen à la „Downtown Manhattan“ auf lokale Realität in Brandenburg treffen. Nicht selten schwankt der eigene Tag zwischen perfektem Service à la carte und hektischem Zimmerservice für einen Reisebus voll feierwütiger Städtespringer. Wer die Jobbeschreibung wörtlich nimmt, wird überrascht sein, wie oft man sich am Ende des Tages nicht als „verlängerter Arm des Housekeepings“, sondern als Vermittler zwischen Küchenphilosophie und Gästepsychologie wiederfindet. Rückenwind bekommt man meist nur durch das eigene Team – oder gar nicht.
Was viele unterschätzen: Ohne solide Kenntnisse der Gästewünsche, rechtliche Grundlagen beim Servieren von Speisen und Getränken (man denke an Allergene, Jugendschutz oder lokale Vorschriften) und ein wenig Gespür für Smalltalk, sieht man als Etagenkellner schnell alt aus. Ein Zertifikat reicht selten; gefragt ist – neben einer Basisausbildung, die meist irgendwo zwischen Hotelfach und Gastronomie angesiedelt ist – vor allem die Bereitschaft, ständig weiter zu lernen. Ach ja, und Flexibilität: Nach einer Nachtschicht, in der man zwischen Room-Service und unerwarteter Geburtstagsgesellschaft auf dem Gang jongliert, weiß man, warum die Branche Azubis sucht, die mehr als nur ein Tablett tragen können. Pech für den, der Langeweile mag.
Und jetzt? Der wunde Punkt – das Gehalt. Wer frisch startet, landet, wenn man ehrlich ist, meist bei 2.300 € bis 2.500 €. Mit Erfahrung – und einer Portion Glück beim Arbeitgeber – sind bis zu 2.800 € keine Utopie. Das Trinkgeld schwankt gewaltig, und nein: Es ist selten das, was in US-Serien versprochen wird. Wer in einem der renommierten Häuser (immerhin: davon gibt es in Potsdam einige) arbeitet, hat tendenziell die besseren Karten. Aber: Die Erwartung an Service, Mehrsprachigkeit und gelegentliche Allzweckwaffen-Qualitäten steigt parallel zum Gehaltszettel. Ich sage es, wie es ist: Ein glamouröser Aufstieg sieht anders aus. Aber für manchen ist genau das der Reiz. Wer hier bleibt, weiß spätestens nach einem Jahr, was mit „Wertschöpfung durch Dienstleistung“ wirklich gemeint ist – und dass Resilienz im Lebenslauf manchmal wichtiger ist als das perfekte Gesamtpaket.
Nach Corona, Knappheit und Hypes um Digitalisierung: Was bleibt vom klassischen Serviceberuf in Potsdam? Ich beobachte einen sich verschiebenden Arbeitsmarkt. Klar, die Nachfrage schwankt mit Saison und Tourismus – dafür sind Arbeitszeiten immer noch voll im Unregelmäßigen. Technische Neuerungen, etwa bei Bestellsystemen oder im Zahlungsverkehr, schleichen sich schleichend ein. Wer damit besser klar kommt als mit Papier und Bleistift, hat definitiv Vorteile. Aber der Kern bleibt: Menschen bedienen Menschen. Die Technik kann helfen, nicht ersetzen. Weiterbildung? Ein Muss – ob Sprachkurse, Hygieneschulungen oder der Zwischenstopp an der Barista-Maschine. Wer offen bleibt für Neues, entdeckt vielleicht sogar Nischen (Weinberatung, Room-Concierge…).
Bleiben wir ehrlich: Wer einschlägt, braucht Ausdauer, Humor und eine gewisse Toleranz für das Ungeplante. Die Vielfalt der Begegnungen, das Arbeiten in Teams, die immer mal wieder erstaunlichen Situationen (wer schon mal einen Hund im Bademantel aufs Zimmer bringen musste, weiß, was ich meine) – das alles macht den Reiz aus. Und vielleicht findet man genau in diesem Mikrokosmos die Erkenntnis: Service ist kein Nebenjob, sondern ein Beruf mit Charakter. Ob man sein Herz daran verliert? Das entscheidet jeder selbst, nach der ersten Nachtschicht mit zu viel Kaffee und zu wenig Lohnzettel. Aber unterschätzen sollte man die Etagenkellner:innen von Potsdam nie – aus eigener Erfahrung: Die laufen zu Spitzenform auf, wenn’s drauf ankommt. Im sprichwörtlichen wie im ganz realen Sinn.
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