The Fontenay Hamburg | 20095 Hamburg
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The Fontenay Hamburg | 20095 Hamburg
Kiel. Schon der Klang der Stadt hat etwas Raues, Durchlässiges – Seehafen, Windkante, Fähren, die zwischen Skandinavien und Norddeutschland schaukeln wie aufgeblasene Wale im Kieler Fördewasser. Und mittendrin, beinahe unsichtbar, doch systemrelevant (ja, das Wort darf mal aus dem Quarantäne-Keller geholt werden): der Etagenkellner. Oder sollte ich sagen: der Lotse auf den Decks der großen Hotels? Die Berufsbezeichnung klingt für viele eher nach angestaubtem Grandhotel als nach Kieler Gegenwart. Doch unterschätzen sollte man diesen Job nicht – besonders, wenn man als Berufsanfänger, Seitenwechsler oder erfahrener Serviceprofi mit offenen Augen durch die Szene geht.
Etagenkellner? Da ruft innerlich gleich das Bild vom silbernen Tablett und geschniegelten Anzug. In Kiel allerdings sieht der Tagesablauf oft deutlich handfester aus. Wer in den Hotels entlang der Förde oder in Executive-Lounges der Geschäftshotellerie unterwegs ist, weiß: Der Job verlangt aktiven Körpereinsatz, manchmal blitzschnelle Improvisation und immer wieder das Fingerspitzengefühl im Umgang mit Gästen, die von Dienstreise-Hektik bis Marathon-Cruise alles zu bieten haben. Der Service auf den Etagen bedeutet: Roomservice, kleinere Reparaturwünsche (Glühbirne kaputt, Adapter verschwunden – Sie glauben nicht, was da alles gemeldet wird), Koordination mit Housekeeping und Technischem Dienst, und natürlich das, was man abwertend Nebenkriegsschauplätze nennt: Nebenher noch schnell neue Blumen aufstellen, das Frühstückstablett freundlich lächelnd abräumen – alles möglichst unbemerkt.
Für Einsteiger mag der erste Eindruck erschlagend wirken, aber verschenkt ist der Beruf sicher nicht. Viel spricht dafür, dass liebloses Durchrauschen hier früher auffällt als in anderen Servicejobs. Gerade in Kiel, wo die Hotellandschaft punktuell boomt – durch neue Tagungshotels, Yachting-Events, Kreuzfahrtgäste –, wächst der Bedarf nach zuverlässigen, diskret agierenden Etagenkellnern. Manchmal, zugegeben, wünscht man sich Gehörschutz, weil gewisse Flure voller Rollkoffer geknattert werden, als hätte man die Kontrolle über den Katalog verloren. Aber dann wieder diese stillen Momente: Man bringt den Zimmerservice hoch, sieht draußen das Nebelhorn staken – und ist kurz allein mit der Stadt. Wer in sowas keinen Reiz sieht, dem kann ich auch nicht helfen.
Das Gehalt? Nun ja, fest in Stein gemeißelt ist hier wenig – man spricht in Kiel aktuell von einem Einstiegslohn zwischen 2.200 € und 2.600 €, im guten Haus auch etwas darüber, nach oben offen, wenn Nachtdienste und Verantwortung steigen. Trinkgelder? Schwanken wie die See draußen. An guten Tagen können Extraleistungen den Monatslohn spürbar aufwerten – sofern sie nicht in der Verwaltungskasse versickern. Doch niemand, der ehrlich ist, wird behaupten, dass man es hier auf das große Geld abgesehen haben sollte. Es geht vielmehr um eine gewisse Zufriedenheit im Tun: Man hat Kontakt mit verschiedensten Nationalitäten, lernt in kurzer Zeit Minifragmente fremder Sprachen und kann – mit ausreichend Menschenkenntnis – kleine Krisen mit einem Satz deeskalieren. Eine Fähigkeit übrigens, die auch außerhalb der Hotelflure Gold wert ist.
Was viele unterschätzen: Die Anforderungen wachsen – nicht linear, sondern in Böen. Digitalisierung hält längst Einzug, etwa wenn Bestellungen digital weitergegeben, Wünsche via App gemeldet oder Beschwerdemanagement mit iPad und Datenmaske gehandhabt wird. Die Schulung besteht heute häufiger aus kurzen E-Learnings als aus altmodischen Zettelwirtschaften. Regionale Besonderheiten? Kieler Hotels betonen gerne ihre Nähe zu Meer und Hafen – nicht selten wird das Servicekonzept daran angepasst: maritimes Frühstück, nordische Gelassenheit, ein Schuss Understatement im Auftreten. Wer gute Nerven mitbringt und gerne läuft (die Schrittzähler-Statistik kann manchen Marathonläufer neidisch machen), findet im Etagenservice eine überraschend abwechslungsreiche Nische. Weiterbildung? Gibt’s. Betriebliche Module, kleinere Seminare zu Hygienestandards, Kommunikation oder Techniktrends sind längst auf dem Vormarsch.
Für mich bleibt beim Blick auf die Kieler Etagen eines deutlich: Hier entscheidet weniger der Stammbaum als die Grundhaltung. Wer Flexibilität, Humor und Ernsthaftigkeit verbinden kann, macht im Etagenservice keineswegs „nur“ einen Übergangsjob. Es ist ein Beruf für diejenigen, die in den Rissen zwischen Alltag und Besonderheit leben, die Spuren am Fenster wissen, statt nur streifenlos zu polieren. Ob das genug ist? Muss jeder selbst rausfinden.
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