Lindenbräu am Potsdamer Platz | 10115 Berlin
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Lindenbräu am Potsdamer Platz | 10115 Berlin
Als ich vor ein paar Jahren in Berlin meinen ersten Tag „auf Etage“ antrat, schwitzte ich mehr aus Nervosität als vom Kaffee, den ich im Dauerlauf zwischen Küche und Suite transportierte. Wer eine glamouröse Bühne erwartet, landet hier eher mitten im Maschinenraum der modernen Dienstleistung – verborgen, aber immens wichtig. Gerade für Berufseinsteiger:innen oder Wechselwillige ist das ein ziemlich unspekatakulärer, dafür aber ehrlicher Realitätscheck: Etagenkellner ist ein Beruf, der sichtbar wird, wenn etwas schiefläuft. Wenn alles läuft? Dann bleibt man eine unsichtbare Größe im Getriebe – aber genau das hat seinen eigenen Reiz.
Etagenkellner – das klingt erstmal nach plüschigem Hotelambiente, nach silbernen Tabletts und höfischer Attitüde. In Berlin ist das aber bestenfalls die Ausnahme, nicht die Regel. Zwischen Fünf-Sterne-Häusern an der Spree und minimalistischen Boutiquehotels in Neukölln gehen Arbeitsweise, Gäste und Ansprüche auseinander wie Tag und Nacht. Ich habe selbst Kellner erlebt, die an der Tür eines Tech-Start-up-Lofts noch schnell die Espressotasse putzen, während ein Kollege in Charlottenburg Handschuhe trägt, wenn er Gebäck serviert. Kurz: Handwerkliche Präzision, Geduld mit Menschen (und Automaten), dazu ein Gespür für Diskretion – das sind die wahren Währungen dieses Berufszweigs.
Was viele unterschätzen: Berlin ist nicht nur Hauptstadt, sondern Drehscheibe für alles, was neu, anders oder irgendwie noch im Werden ist. Das bedeutet im Servicejob weitaus mehr als eine gelegentliche Frage nach Hafermilch statt Kuh. Manchmal ist die Etage ein Mikrokosmos der Stadt – Gäste aus Tel Aviv, Mailand und Seoul, Kolleg:innen aus der halben Republik, ein Manager mit ausgeprägtem Hang zu QR-Codes beim Roomservice. Sprachkenntnisse? Unverzichtbar. Digitale Tools? Unterschätzt man leicht, leidet aber wenn’s klemmt. Wer hier flexibel denken kann – und auch mal improvisiert, wenn das System zum dritten Mal hakt –, gehört schnell zu den viel gefragten Leuten.
Reden wir offen: Die Bezahlung ist selten das, was von außen in den schicken Hotelfoyers vermutet wird. In Berlin bewegt sich das monatliche Grundgehalt für Etagenkellner meistens im Bereich von 2.200 € bis 2.800 €, gelegentlich sind 3.000 € und mehr drin – allerdings eher im oberen Segment der Hotelbranche und bei passender Berufserfahrung. Trinkgeld kommt oben drauf, ist aber so launisch wie das Berliner Aprilwetter. Für viele, die ein offenes Ohr und einen wachen Blick mitbringen, ist das OK – für andere nicht. Aber so ist Berlin: Wer bleiben will, braucht eigenen Antrieb UND eine Art liberale Sturheit.
Berlin schläft nicht, und die Hotellandschaft ebensowenig. Weiterbildungsmöglichkeiten werden – anders als viele denken – durchaus angeboten, mal über interne Schulungen, mal über berufsbegleitende Programme etwa im Bereich Barservice, Gästekommunikation oder Digitaltechnik. Ich kenne Leute, die hier in der Etage angefangen und dann als Supervisor oder gar Hotelmanager weitergezogen sind. Ob man sich aber dauerhaft auf dem Servierwagen wiederfindet oder neue Wege geht – das bleibt letztlich eine Typfrage. Wer Sinn im Kontakt mit Menschen sieht, wer Stress als Adrenalin und nicht als Belastung begreift, findet im Berliner Etagenservice eine Bühne. Nicht laut, aber lebendig.
Der Berufsbereich Etagenkellner in Berlin ist unberechenbar, manchmal stressig, oft multikulturell und immer ein Geschäft der leisen Zwischentöne. Wer übersieht, was hier an Menschlichkeit, Professionalität und Improvisation abgerufen wird, unterschätzt diesen Job gewaltig. Leute, es ist kein Spaziergang. Aber Berlin wäre nicht Berlin ohne genau diese besonderen Typen auf Etage – die, die mit zwei Händen servieren und mit dem dritten Auge alles im Blick haben.
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