expertum GmbH | 69117 Heidelberg
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Wer in Heidelberg mit Obst, Gemüse oder Trauben arbeitet, weiß: Der Boden hier zwischen Rheinebene und Odenwald hat Charakter – manchmal bockig, meist fruchtbar, immer fordernd. Ich habe nie gezählt, wie oft man sich als Erntehelfer die Hände aufreißt, bis man zum Rhythmus der Saison dazugehört. Aber fest steht: Man lernt zügig, dass Erntearbeit nichts für Schönwetterträume ist. Für viele, die einsteigen – sei es als Berufseinsteiger, mit einem handwerklichen Hintergrund oder weil der letzte Job in einer gläsernen Großküche zu weit entfernt schien vom echten Leben –, wird die Arbeit schnell zur Lehrmeisterin in Sachen Realitätssinn.
Was macht ein Erntehelfer eigentlich? Klar, die einfachen Beschreibungen gibt’s: Pflücken, sortieren, tragen, manchmal stapeln. Aber so linear ist der Alltag selten. Das beginnt schon morgens, wenn man vor Tau und Tag zwischen Obstbäumen steht und in die noch stille Ebene blickt – Heidelberg kann also auch ganz unspektakulär sein, so paradox das klingen mag. Die Aufgaben wechseln im Verlauf des Jahres fast im Wochenrhythmus: Im Frühling Veredelungsschnitt, im Sommer Erdbeerfelder, später Wein, Äpfel, Birnen, Spargel – die Palette ist so bunt wie der Wochenmarkt auf dem Uniplatz. Und wer glaubt, Routine sei das größte Problem: Der erste kräftige Regenguss im September macht alle Pläne hinfällig. Dann geht’s um Improvisation und Teamgeist, nicht um penible Vorschriften.
Jetzt kommt’s drauf an, oder? Für viele zählt am Ende der Lohnzettel. Im Heidelberger Umland erfährt man schnell: Die Bezahlung liegt bei grob 2.200 € bis 2.700 € im Monat – zumindest, wenn das Wetter gnädig ist, Überstunden (und deren Bezahlung) nicht unter den Tisch fallen und man einen Betrieb erwischt, der nach Tarif zahlt. Von Traumgehältern keine Spur, aber – das ist keine Überraschung – für viele Familienbetriebe ist das schon am oberen Rand dessen, was landwirtschaftlich noch leistbar ist. Woanders mag’s mehr geben, aber wer Heidelberger Feldluft geschnuppert hat, weiß, dass ein stabiler Arbeitsplatz und ein Jahr Vertrag oft mehr wiegt als ein paar Euro Unterschied.
Heidelbergs Landwirtschaft ist ein Hybridwesen. Einerseits größtenteils im ländlichen Umland, andererseits direkt mit der Stadt verzahnt: Die Wochenmärkte, die Biokisten für die städtischen Familien und die Restaurants, die mit lokalen Zutaten punkten. Wer als Erntehelfer startet, merkt schnell, wie sehr regionale Wertschöpfung und nachhaltiges Arbeiten hier zählen – jedenfalls im Vergleich zum anonymen Knöpfedrücken auf irgendeinem Fließband. Natürlich, Maschinen nehmen Jahr für Jahr mehr Arbeit ab. Aber gerade handverlesene Qualität ist in der Region weiterhin gefragt: Ob Obst für die Sterneküche oder Trauben fürs nächste Jungwinzer-Experiment in Dossenheim – oft entscheidet der Mensch, nicht der Roboter.
Was viele unterschätzen: Die Arbeit als Erntehelfer ist selten ein statischer Posten. Wer nicht wegschaut, sondern hinschaut – Unterschiede bei Obstsorten erkennt, Saisonkräfte führt, Verantwortung für kleine Prozesse übernimmt –, der wird schnell für mehr gehalten als den nächsten „Pflücker auf der Liste“. Es entstehen Nischen: Hilfskraft in der Vermarktung, Teamleiter auf dem Feld, manchmal auch ein Sprung in den Gemüseanbau in Eigenregie. Klar, alles mit derber Lernkurve – und manchmal fragt man sich mitten in der Saison, warum man sich das überhaupt antut. Aber in Heidelberg, wo sich Zukunftsträume und Tradition oft um denselben Apfelbaum drehen, kann aus einer Saisonarbeit durchaus ein Lebenskonzept werden. Oder zumindest ein Abschnitt, der alle romantischen Vorstellungen von Landwirtschaft in echtes, erdiges Licht rückt. Und ja, manchmal ist das genau so undankbar wie es klingt – aber eben auch ehrlicher als alles, was ich je in einer Büroumgebung erlebt habe.
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