Zahnmedizinisches Zentrum | 50667 Köln
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Zahnmedizinisches Zentrum | 50667 Köln
Morgens, halb neun in Essen. Während die einen im Café an der Rüttenscheider Straße den ersten Espresso schlürfen und sich in der Zeitung zum Weltgeschehen verirren, zucke ich zusammen: Zwei Nachrichten. Eine davon vom Chef — Recall-Listen für die professionelle Zahnreinigung sind von heute auf morgen randvoll. Willkommen im Alltag einer Dentalhygienikerin. Oder, um ehrlich zu sein: Eine gewisse Grundhektik gehört hier einfach zum Spiel dazu. Dabei reden wir nicht über das klassische Putzen – sondern fein dosierte Prävention, Analyse und manchmal sogar Beziehungsarbeit am Stuhl. Wer jetzt denkt, das sei ein Job zum Füßehochlegen, war noch nie bei einer Parodontitis-Prophylaxe im Ruhrgebiet.
Was viele unterschätzen: In diesem Beruf ist Fingerspitzengefühl nicht nur metaphorisch gefragt. Ich meine tatsächlich das handwerkliche Beherrschen von Ultraschall, Kürette, Air-Flow und all den Spielereien, die mangels besserer Bezeichnung in den Fachlexika stehen. Man arbeitet mit Präzision, oft am schmalen Grat zwischen medizinischer Notwendigkeit und menschlicher Empfindlichkeit. Dazu die ewige Begleiterin: Kommunikation. Den Patienten erklären, weshalb die Zahnzwischenräume kein Disneyland für Bakterien sein sollten – und gleichzeitig empathisch, aber bestimmt, die Launen von Menschen zu ertragen, die vor Sprühnebel zurückzucken, als ginge es um Radioaktivität.
Wer sich nach Essen orientiert, landet mitten in einer Metropolregion, die so heterogen ist wie ihr Straßenbild. Klar, es gibt schicke Privatpraxen mit Kaffeevollautomat und Designer-Lounge. Aber daneben finden sich traditionsreiche Gemeinschaftspraxen, in denen der Stuhl noch aus den späten Achtzigern stammt. Das hat eine eigentümliche Wirkung: Während in München Dentalhygiene als Luxusimage verkauft wird, spürt man in Essen den Pragmatismus des Ruhrpotts. Hier zählt, was funktioniert. Digitalisierung? Kommt allmählich in Schwung, aber der alte Terminzettel aus Papier liegt in erstaunlich vielen Praxen weiter griffbereit. Trotzdem — die Nachfrage ist da, und sie wächst merklich. Der Präventionsgedanke setzt sich durch. Besonders im Bereich Parodontologie wird investiert; moderne Geräte, Fortbildungen, Spaß an moderner Technik (sofern der Chef mitzieht…).
Jetzt die Geldfrage. Was ist drin? Je nach Qualifikation, Berufserfahrung und Wertschätzung des Arbeitgebers liegt die Spanne meist zwischen 2.800 € und 3.600 € pro Monat. Viele, die aus der Zahnmedizinischen Fachassistenz wechseln, staunen zuerst: Für mehr Verantwortung sind fast immer Weiterbildungen und Eigeninitiative Pflicht. Die Aufstiegschancen steigen, sobald man zusätzlich Fachkenntnisse in Implantatpflege oder Laseranwendung beisteuert, was übrigens bei vielen Essener Praxen gewiss kein Nachteil ist. Ein Restrisiko bleibt: Wer ins Team einer schwerfälligen Praxis gerät, darf sich voller Euphorie auf Routinearbeiten einstellen. Teamkultur und Mitspracherecht erkennt man oft erst im Alltag — Bewerbungen auf Verdacht sind kein Konzept, um glücklich zu werden. Aber das sprengt hier den Rahmen.
Ehrlich gesagt, manchmal frage ich mich, warum so wenige junge Talente in Essen explizit auf Dentalhygiene setzen und stattdessen Richtung Industrie oder Pflege weiterziehen. Vielleicht, weil das Image noch eine Extraschicht Politur gebrauchen kann. Was im amerikanischen Gesundheitssystem als hochautonom gilt, hat in Essen oft noch einen Beigeschmack von „Zuarbeiten“. Aber, so meine Beobachtung: Wer wirklich Freude an ganzheitlicher Mundgesundheit hat, seine Technik verfeinert und im Umgang mit Menschen Humor behält, wird hier gebraucht. Die Region braucht Menschen, die nicht bloß nach Schema F bedienen, sondern Patienten auf Augenhöhe begegnen. Gesundheit fängt oft im Mund an — und im Ruhrgebiet eben auch mit einer Portion Bodenständigkeit. Ideale Startbedingungen? Vielleicht nicht immer. Aber eine Menge Luft nach oben. Und wenn ich mir eines wünschen dürfte: Mehr selbstbewusste Dentalhygienikerinnen und -hygieniker, die dem Beruf vor Ort ein bisschen mehr Strahlkraft verleihen. Essen könnte das gut gebrauchen.
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