Forschungszentrum Jülich GmbH | 52428 Jülich
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Rheinblick am Feierabend? Ja, schön und gut, aber wer hier in Köln als Chemiker oder Chemikerin im Arzneimittelbereich einsteigt, merkt schnell: Die Rheinmetropole ist mehr pharmazeutischer Taktgeber als „Karneval pur“. Wer ernsthaft den Beruf ergreift – sei es frisch von der Uni, nach dem Master oder auf Abwegen aus anderen Disziplinen –, bekommt ein Setting serviert, das sich stetig wandelt und Erwartungen ganz anderer Art weckt als ein klassisches Stundenplansystem. Erwartungen, denen ich selbst manchmal ambivalent gegenüberstehe: technisch getrieben, ethisch hochgehängt und – wenn man ehrlich ist – oft auch steil vorgegeben.
Was viele unterschätzen: Chemiker im pharmazeutischen Feld sitzen nicht stur mit Schutzbrille hinter staubigen Kristall-Proben. Klar, Handschuhe gehören dazu. Aber die tatsächliche Arbeit ist selten so geradlinig wie jene 08/15-Laborszenen im TV. In der Kölner Pharmalandschaft – zwischen Dom und Deutz werden nicht nur Tabletten „geprüft“, sondern ganze Entwicklungszyklen durchlaufen. An kaum einem anderen Standort in NRW kracht so viel Innovation und regulatorische Komplexität aufeinander: Forschung, Produktion, Qualitätssicherung, Dokumentation. Kaum drei Tage verlaufen gleich – für Jobneulinge ein Versprechen und eine Zumutung zugleich. Mir fällt dabei immer auf, wie sehr der ständige Spagat zwischen Theorie und Praxis die Teams prägt. Freestyle ist selten gefragt, aber ohne kreativen Kniff geht’s auch nicht.
Oft wird Köln unterschätzt, wenn’s ums Big Business im Arzneimittelbereich geht – „Frankfurt, Darmstadt, Leverkusen, da sitzt die Musik“, hört man. Völlig verkannt: Köln hat inzwischen mehr als nur lokale Entwicklungsstandorte. Zwischen mittelständischen Spezialfirmen und internationalen Konzern-Clustern entstehen hier Nischen, in denen vor allem Fachleute mit Chemie-Background gebraucht werden. Und ja, die Gehälter? Klar, da schaut man als Berufsstarter hin. Realistisch? Im Raum Köln bewegt sich das Einstiegsgehalt meist irgendwo zwischen 3.600 € und 4.200 €. Wer die forschende Schiene wählt, darf – mit ein wenig Fortune und Gas in den Beinen – auch mal mehr erwarten. Aber: Die Preisentwicklung am Kölner Wohnungsmarkt, die ist gnadenlos – ein Pluspunkt beim Gehalt verpufft gern mal in Mietforderungen, die man schon als Ironie des Standorts verstehen kann.
Wer sich als Chemiker auf die Entwicklung oder Kontrolle von Arzneimitteln einlässt, spürt in Köln ziemlich rasch, dass die Anforderungen mit den Jahren gewachsen sind. Die Vorstellung vom „formelverliebten Einzelgänger“ ist so attraktiv wie falsch. Vielmehr braucht es Neugier, Kommunikationsstärke und Standhaftigkeit bei regulatorischem Gegenwind. Themen wie Digitalisierung, GxP-Compliance und Nachhaltigkeit sind längst mehr als Bullet Points im Firmenleitbild. In manchen Laboren wird bereits mit Machine-Learning-basierten Analysesystemen gearbeitet – häufig in Kooperation mit der Universität oder den forschungsnahen Zentren rund um das Belgische Viertel.
Und täglich grüßt das Dokumentationsmonster: Lückenlose Rückverfolgbarkeit ist im Arzneimittelumfeld keine Kür, sondern Pflicht. Das mag man leid sein, aber es prägt die Routine tiefer als so manche Chromatographiesäule die Methode.
Ich will ehrlich bleiben: Nirgendwo liest man so schnell den Satz „Wir sind offen für Neues“ wie in HR-Präsentationen von Pharmafirmen in Köln – und manchmal wünscht man sich, das hätte wirklich Substanz. Offenheit bedeutet eben auch, dass Fachkräfte mit ungewohntem Lebenslauf, Querwechsler oder Berufsanfänger mit Mut zur Lücke Chancen verdienen. Man stolpert allerdings ab und an über alte Seilschaften oder eingefahrene Praxisabläufe, die alles andere als epochal offen sind. Dennoch: Wer mit Humor und Hartnäckigkeit einsteigt, findet in Köln ein Biotop, in dem Fortschritt kein Reizwort, sondern Notwendigkeit ist – aber man sollte wissen, wo der Unterschied zwischen „Wir probieren was aus“ und „Das haben wir immer schon gemacht“ liegt.
Wer als Chemikerin oder Chemiker im Arzneimittelbereich in Köln tätig werden will, kommt um ein gewisses Maß an Ambivalenz nicht herum – und das ist eigentlich das Beste daran. Es braucht Enthusiasmus, aber keine Illusionen. Veränderungen laufen in Wellen, nicht in Sprungschritten. Doch: Wer den Intellekt liebt, den Alltagswahnsinn nicht scheut und seine eigene Stimme zwischen Rheinboulevard und Laborbrenner finden will, hat in Köln erstaunlich viele Türen offen. Die Arbeit ist weder Routine noch Revolution, aber vielleicht ist genau das der Reiz. Oder wie am Rhein halt üblich: Man muss sein eigenes Ufer schon selbst bestimmen.
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