Ed. Züblin AG | 10115 Berlin, Hamburg, Dresden, Rostock, Bremen
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Ingenieurbüro J. Paul GmbH | 10115 Berlin
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Es gibt Berufe, da glaubt man am Anfang, alles Wichtige liege in der Technik – Tasten, Tastenkürzel, Icons, endlose Layerlisten. Doch beim zweiten Blick merkt man: Im Alltag der CAD-Fachkraft steckt viel mehr. Gerade in Potsdam, diesem seltsamen Hybrid aus höfischer Kulisse, Forschungslabor und Dauerbaustelle, verschieben sich die Grenzen von Konstruktion und Kreativität permanent. Wer als Berufseinsteiger oder Quereinsteiger hier Fuß fassen will, sollte sich nicht von gleitenden Linien oder den Marketingtexten der Softwarehersteller blenden lassen. Eine Zeichnung ist eben nie nur ein Strich – und der Alltag kein Werbeprospekt.
Manche ahnen es nicht: CAD, das klingt für Außenstehende nach sauberem Tastengeklimper im Warmen – vielleicht ein bisschen Nerd-Routine, alles andere als staubig. Nun ja. In Wirklichkeit jongliert man als CAD-Fachkraft mit widersprüchlichen Vorgaben, E-Mails von Stadtplanern und spontanen Tücken in der Statik. In Potsdam verschärft sich das Ganze dadurch, dass Baustile und Gewerke oft aufs Engste verwoben sind – Denkmalschutz, Klinker, Fachwerk und Hightech-Fassaden im direkten Nebeneinander. Detailkenntnis von DIN-Normen reicht da nie, auch wenn sie leidlich wichtig ist. Viel entscheidender wird das Übersetzen: Bauleiterbriefe, knappe Änderungswünsche, ein Änderungswunsch von oben ("Doch alles 30 cm länger") – und Sie sitzen plötzlich Stunden an Änderungen, die beim nächsten Planungsgespräch wieder kassiert werden. Willkommen im Alltag.
Es ist paradox: Potsdam wächst, Neubauquartiere schießen buchstäblich aus dem Boden, die Forschung im Berliner Umland investiert kräftig – doch der Bedarf an fähigen CAD-Köpfen bleibt unstet. Der Arbeitsmarkt hier ist eigenwillig. Es gibt kleine Kollektive von Bauplanern, klassische Ingenieurbüros, Großprojekte mit öffentlich-rechtlichem Einfluss, dazu Start-ups im Bereich Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit. Gerade Einsteigern und Berufswechslern begegnet dabei oft ein merkwürdiger Widerspruch: Die Arbeit ist mal fordernd, mal eintönig repetitiv – und selten planbar. Manche Tage verlaufen im Tunnelblick (Layer 12 bis 32, Detail bis zur Ermüdung), an anderen drohen die Deadlines wie eine schlechte Wetterfront.
Über Geld spricht man ungern, heißt es. Aber machen wir uns nichts vor: Das Einstiegsgehalt in Potsdam rangiert meist zwischen 2.600 € und 3.000 €. Wer Expertise beim Modellieren, der digitalen Schnittstelle zu Auslegungsprogrammen oder im 3D-Druck mitbringt, kann mit 3.200 € bis 3.600 € rechnen – je nachdem, wie viel Verantwortung und Chaos man zu übernehmen bereit ist. Die Gehaltsspanne ist dabei so dehnbar wie so mancher Bauzeitenplan: Spezialisierung zahlt sich aus, bringt aber auch gern mehr Stress. Und apropos Entwicklung – hier wird gerne von „lebenslangem Lernen“ gefaselt. In Wahrheit bleibt der Druck hoch, sich laufend neue Tools und Branchentrends draufzuschaffen, sonst kommt der Nachwuchs mit den schnellen Fingern. Wer sein Wissen über klassische Architektur hinaus ausdehnt – etwa zu GIS, Building Information Modeling (BIM), Datenbankpflege – setzt sich ein willkommenes Alleinstellungsmerkmal.
Wer Potsdam nur als UNESCO-Ziergarten kennt, ahnt wenig vom lokalen Mikrokosmos zwischen Tradition und Fortschritt. Gerade in kleinen Büros wird viel improvisiert, nicht alles ist nach Handbuch; manchmal sitzt man zu zweit über einem Plan, streitet um die richtige Zeichnungsperspektive. Es gibt Momente, da wünscht man sich weniger Perfektion und mehr Gelassenheit. Es gibt aber ebenso diese ruhigen Tage, an denen ein simpler Lageplan plötzlich die Weltbühne bedeutet. Was viele unterschätzen: Die persönliche Ebene zählt – Kollegen, die kurz anrufen, der Plausch im Flur, das Gespräch mit den Bauarbeitern. All das macht einen guten CAD-Alltag aus, auch wenn der Computer im Fokus steht.
Wäre ich wieder am Anfang, ich würde länger hinhören: Wer Technik mag, sich aber auch vor Spontanität und Kompromisskunst nicht scheut, kann hier Wurzeln schlagen. Der CAD-Beruf ist kein Abhak-Job, sondern lebt von kleinen Erfolgen und Fehlschlägen. In Potsdam gilt das doppelt: Wer flexibel bleibt, zwischen Baustelle, Digitalisierung und Kollegengespräch balanciert, hat mehr Chancen als die Schnellzeichner mit Ego-Schablone. Ob Meister, Spezialist oder Neugieriger – ohne Neugier und ein bisschen Sturheit kommt man hier nicht weiter. Und das ist vielleicht die eigentliche Kunst – jedenfalls für mich.
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