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St. Martinus-Krankenhaus | 40213 Düsseldorf
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Was antwortet man, wenn man bei einer Familienfeier – sagen wir, sonntags nach dem Kaffee – erzählt, man arbeitet als Bestattungsfachkraft? Stille. Vielleicht ein gequältes „Ach, das ist sicher nicht einfach …“ Manchmal auch ehrliches Nachfragen. Nur: Was viele nicht wissen, dieser Beruf hat mit bloßer „Trauerarbeit“ genauso wenig am Hut wie mit simplen Klischees von düsteren Hinterzimmern. Denn in Essen, im Herzen des Ruhrgebiets, tickt dieser Job in vielerlei Hinsicht anders als erwartet – komplexer, ehrlicher, manchmal rau. Doch genau das macht ihn für Menschen mit Rückgrat, Empathie und einer Portion Pragmatismus so spannend – und durchaus anspruchsvoll.
Manchmal fragt man sich ja: Wer landet ausgerechnet in diesem Metier? Die gängigen Antworten – „Zufall“, „Familiensache“, „Berufung“ – sind zu kurz gegriffen. Was aber oft unterschätzt wird, ist die Bandbreite: Zwischen Sarglack und Sterbeurkunde, vom Erstkontakt in der Wohnung bis zum letzten Handgriff bei der Trauerfeier, ist Bestattungsfachkraft ein seltsam vielschichtiger Beruf. Gerade in Essen – mit seinen gegensätzlichen Milieus, von traditionsreicher Arbeitersiedlung bis hipper Innenstadt – schlägt einem die gesellschaftliche Vielfalt direkt ins Arbeitsleben durch. Wenige Tage gleichen einander, weil jeder Abschied, jede Familie, jede Erwartung ein Unikat ist, oft mit Überraschungen zwischen Bürokratie-Marathon und ganz handfesten Problemen („Ach, der neue Ofen streikt? Typisch Dienstag ...“).
Essen selbst? Nicht langweilig, schon gar nicht im Bestattungswesen. Die Stadt hat in den letzten Jahren einen beachtlichen Wandel hingelegt, der an den Grabreihen nicht vorbeigeht. Einerseits lässt sich eine Modernisierung kaum verleugnen – neue Krematorien mit digitaler Dokumentation, E-Särge (ja, sowas gibt es!), zeitweise sogar Livestreams von Trauerfeiern, weil persönliche Anwesenheit nicht immer möglich ist. Andererseits wird in vielen Vierteln noch Wert auf hergebrachte Rituale gelegt: Hier schweigt man – wortwörtlich – wenigstens für einen Moment, wenn der Trauerzug vorbeizieht. Vieles hängt davon ab, ob man bei einer alteingesessenen Bestattungstradition arbeitet oder einem neu gegründeten Dienstleister, der mit „Trauerkultur 2.0“ wirbt. Ehrlich: Manchmal nervt dieses Spannungsfeld, weil die knallharte Realität, also das, was und wie die Arbeit tatsächlich passiert, sich nicht an Imagebroschüren hält.
Hand aufs Herz: Wer meint, als Bestattungsfachkraft werde man zum seelischen Staubsauger einer ganzen Stadt, wird schnell enttäuscht. Klar, Mitgefühl braucht es – aber auf Dauer ebenso eine professionelle Distanz und eine gewisse Alltagsrobustheit. Offizielle Anforderungen? Ordnungsliebe, organisatorisches Denken, handwerkliches Grundverständnis, Sinn für Details. Läuft etwas schief – etwa ein falsch zugeordneter Sarg, ein Behördengang im Niemandsland der Paragraphen –, dann hilft kein Träumen, sondern pragmatisches Handeln. Den Überblick nicht verlieren, auch dann nicht, wenn einem statt Nachtruhe die nächste Abholung ins Haus steht. Hier ist eben keine Routine wie am Fließband, sondern Improvisationstalent und Empathie gefragt. Wobei, letzteres spürt man manchmal erst nach Stunden, wenn sich die Anspannung gelegt hat.
Jetzt mal Tacheles: Die Vergütung lag – zumindest in Essen – vor zwei, drei Jahren üblicherweise zwischen 2.300 € und 2.900 € monatlich im Einstieg. Mit zunehmender Erfahrung, Spezialisierung oder Übernahme von Weiterbildungen (Stichwort: Kremationstechniker/in oder Thanatopraktiker/in – ein Wort, das sogar in Kreuzworträtseln für Stirnrunzeln sorgt) sind 3.200 € oder auch mehr machbar. Klar, Geld ist nicht alles – besonders hier nicht. Aber gerade in einer Stadt wie Essen, wo Lebenshaltungskosten schneller steigen als die Grundsteuer, bleibt das ein Thema. Marktchancen? Der Bedarf an Bestattungsdienstleistungen stagniert selten, die demografische Entwicklung spielt dem Berufsstand faktisch in die Karten – klingt zynisch, ist aber Realität. Und wenige Berufe zwingen einen so ehrlich dazu, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Ob das abschreckt oder anzieht: Muss jeder selbst entscheiden.
Was viele unterschätzen: Nach einem Tag als Bestattungsfachkraft ist man nicht automatisch melancholisch oder weltentrückt. Im Gegenteil – man lernt, das Leben schätzen zu müssen, vielleicht bewusster als anderswo. Und manchmal, wenn ich nach Dienstschluss durch Essen radele, frage ich mich: Gibt es eigentlich einen Beruf, in dem Gegenwart und Vergangenheit so eng aufeinandertreffen? Ich bezweifle es. Und doch: Es ist ein ehrlicher Beruf für ehrliche Leute. Und das, in einer Stadt wie Essen, ist schon so etwas wie ein Unikat.
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