Hochschule Ruhr West | Mülheim an der Ruhr
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Hochschule Ruhr West | Mülheim an der Ruhr
Wer morgens in Mülheim am Hauptbahnhof aussteigt, spürt diesen leichten Kohlegeruch in der Luft – ja, der Ruhrpott hat mehr Geschichte als Imageberater. Genau hier, zwischen Rathaus, Theater und bunten Stadtteilen, bewegt sich der Arbeitsalltag einer Assistentin oder eines Assistenten in einer kommunalen Pressestelle irgendwo zwischen Digitalstrategien und überraschend handfestem Krisenalltag. Einen Arbeitsplatz mit Blendwerk und Smalltalk gibt’s hier nicht. Vielleicht ist dies eine der ersten Lektionen, die Berufseinsteiger:innen und Umsteiger:innen in diesem Feld zu verdauen haben: Öffentlichkeitsarbeit, das ist nicht nur Wortgirlanden und Social Media. Das ist oft Klinkenputzen, schneller Perspektivwechsel – und manchmal auch Gratwanderung.
Das Berufsbild mag auf den ersten Blick technisch recht klar abgegrenzt sein – aber wer nur Routinen erwartet, irrt. Tatsächlich reicht das Spektrum: Pressemitteilungen texten, Events begleiten, Hintergrundinformationen recherchieren, Pressespiegel kuratieren, Reaktionen im Webmonitoring auswerten. Es gibt Tage, da stolpert man förmlich von einer E-Mail-Lawine in die nächste Telefonkonferenz. Und dann, wie aus dem Nichts, bricht irgendetwas regional Einschneidendes herein – eine Baumfällaktion, ein Verkehrschaos oder, besonders heikel, interne Debatten um städtische Finanzen. Plötzlich wird es lebendig, fordernd. Dann schlägt der Adrenalinspiegel Purzelbäume, während das gesprochene Wort (fast) genauso wichtig wird wie der präzise gesetzte Punkt in der Pressemitteilung.
Noch vor einigen Jahren war die lokale Pressestelle fest in analogen Mustern gefangen. Heute? Kaum eine Woche vergeht, ohne dass digitale Tools, neue Kanäle oder Datenbanklösungen einen Platz im Toolset fordern. Social Media-Kompetenz ist mehr als ein Stichwort auf der Aufgabenliste – Reaktionsschnelligkeit und Sprachgefühl auf Twitter, Instagram & Co. werden regelmäßig auf die Probe gestellt. Und während Großstadtpressebüros sich im Strom nationaler Aufmerksamkeit sonnen, müssen Mülheims Pressestellen flexibel auf die Empfindlichkeiten und Besonderheiten des Ruhrgebiets reagieren. Was in Berlin einen Trend setzt, wirkt in Styrum oder Speldorf schnell bemüht oder fehlplatziert. Manchmal, soviel Wahrheit muss sein, zählt hier das persönliche Netzwerk am meisten – die menschliche Note schlägt so manchen Digitalisierungshype.
Kommen wir zur Gretchenfrage: Wer einsteigt, darf keine spektakulären Gehaltsflüge erwarten. Im Raum Mülheim liegt das durchschnittliche Einstiegsgehalt zwischen 2.700 € und 3.000 € – mit Schwankungen je nach Arbeitgeber, Erfahrungsstand und Aufgabenfeld. Manch einer wird sich wundern: Viel Verantwortung, manchmal Stress, aber keine Gehälter wie in der freien Wirtschaft. Andererseits – so meine Erfahrung – bietet gerade die städtische Pressestelle eine Mischung aus Arbeitsplatzsicherheit, Gestaltungsräumen und Möglichkeiten, sichtbare Spuren zu hinterlassen. Neid auf Branchenriesen oder die PR-Schickeria in Medienzentren? Braucht’s nicht. Hier im Ruhrgebiet gilt Bodenhaftung fast mehr als Innovationsglanz.
Langweilig wird’s selten. Fort- und Weiterbildungen, etwa in Krisenkommunikation, Medienrecht oder digitalem Storytelling, sind für Berufseinsteiger:innen und wechselbereite Kolleg:innen schnell mehr Pflicht als Kür. Und ja, man schult sich eigentlich ständig nebenbei: Wer im Büro sitzt, merkt gleich, wie wichtig regionale Schlagader und ein gutes Gespür für soziale Töne sind. Oft entscheidet das Halbsatzgefühl, der kleine Zwischenton, ob Kommunikation abprallt oder verfängt. Nur Theorie und Fachbegriffe – die helfen einem an der Pressefront des Ruhrgebiets selten über die Ziellinie.
Wer sich hier wiederfindet – zwischen Medienhunger, gesellschaftlicher Verantwortung und der täglichen Portion Digitalwahnsinn – braucht Robustheit, Humor und so ein Grundrauschen an Neugier. Alles andere wäre verfehlt. Mülheim an der Ruhr wird nie das Epizentrum glamouröser PR-Ströme sein; aber vielleicht ist gerade das die eigentliche Stärke: Kommunikation, die menschlich bleibt, weil sie aus der Nähe kommt. Manchmal fragt man sich, ob das der größere Luxus ist. Ehrlich? Für mich ist er es.
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