Hochschule Ruhr West | Mülheim an der Ruhr
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Wer morgens am Bahnhof Leverkusen-Mitte auf den ICE der bunten Chemiegiganten wartet, ahnt oft nicht, was sich hinter den Kulissen der großen und kleinen Unternehmen abspielt – vor allem nicht in den Pressestellen. Der Beruf „Assistent Pressestelle“ klingt nach Kaffeekochen und Copy-Paste-Pressemitteilungen? Da wäre ich vorsichtig mit Vorurteilen. Nein, das Bild ist komplexer, vielschichtiger, und manchmal genug, um sich beim Mittagessen mit Kollegen über Ethik im Infozeitalter zu streiten. Das ist zumindest meine Erfahrung – und ich bin nicht allein.
Große Namen wie der weltberühmte Pharmakonzern fallen einem vielleicht als Erstes ein, aber Leverkusen überrascht mit einer breiten Mischung aus Industrie, städtischen Einrichtungen, Sportvereinen und mittelständischen Unternehmen. Das bedeutet: Pressestelle ist keineswegs gleich Pressestelle. In manchen Fällen geht’s um Medizin, in anderen um Asphaltarbeiten auf der A3 – und manchmal muss man unangenehme Fragen der Lokaljournalisten zu Umweltereignissen abfangen, während hinter einem das Telefon nicht stillsteht.
Typische Aufgaben? Klar, die Klassiker: Pressemeldungen schreiben, Termine mit Journalisten koordinieren, Clippings auswerten. Aber das war’s eben nicht. Wer einsteigt, landet schnell in einer Mischung aus Recherche, Textarbeit, Krisenkommunikation und Content-Monitoring. Und dann, in der grauen Realität zwischen PR-Strategen und Behördenvorgaben, heißt es: mitdenken, mitfühlen, auch mal mitzittern. Kein Pflichtpraktikum, kein Uni-Projekt hat das üben lassen – erst im Ernstfall, irgendwann nach einer Nacht am Rechner, wenn um 6 Uhr die ersten Radioredaktionen anrufen, spürt man, was Kommunikation im Rheinland bedeutet.
Ja, in Leverkusen kursiert gelegentlich der Witz vom ewigen Nebel zwischen Werksgelände und Rathaus. Wer den Job in der Pressestelle macht, kommt damit klar; man lernt, sich zwischen sachlicher Informationspolitik und kreativem Storytelling zu bewegen. Dazu die lokalen Gepflogenheiten: Der eine Pressesprecher favorisiert noch das Fax (kein Scherz!), der nächste will Kurzvideos für Social Media, bitte bis heute Mittag. Wer da flexibel bleibt, keine Scheu vor neuen Tools hat und ein bisschen Geduld mit menschlichen Eigenheiten, kommt besser durch als diejenigen, die alles im Dienst nach Vorschrift abarbeiten wollen.
Was viele unterschätzen: Auf einmal ist man Schnittstelle zu Menschen, die mit Kommunikationsjargon überhaupt nichts anfangen können. Die Erwartung ans Sprachgefühl ist hoch, die Nerven manchmal dünn, wenn Land, Kommune, Belegschaft und Öffentlichkeit gleichzeitig Antworten wollen – oder am besten gar keine, je nach Stimmungslage. Da wächst man – oder scheitert. So ehrlich muss man mit sich selbst sein.
Reden wir nicht um den heißen Brei: Die Zahl der klassischen Pressestellenstellen ist überschaubar, auch wenn Leverkusen dank Chemie, Fußball und Infrastrukturprojekte seine eigenen, dauerhaften Kommunikationsherausforderungen hat. Das stellt Berufseinsteiger vor eine schwierige Wahl – sicherer Hafen in festen Strukturen versus agiles Arbeiten bei kleinen Agenturen oder Stadtprojekten. Die Anforderungsprofile in Leverkusen selbst sind dabei vertrackt: Wer meint, mit einem Medienabschluss und glänzender Schreibe sei es getan – weit gefehlt. Teamarbeit, Termintreue, manchmal technische Kenntnisse (Thema: CMS, Foto- oder Videobearbeitung), aber auch Stress-Toleranz stehen weit oben auf der Liste. Und seien wir ehrlich: Wer erstmalig bei einer Krisenmeldung die Fassung bewahren muss, merkt schnell, dass die schönste Stilblüte nichts nützt, wenn die Datenlage wackelt und die Geschäftsleitung nervös fragt, warum schon wieder ein Blogger schneller war.
Was das Gehalt betrifft – ein Thema, das man selten offen diskutiert –, bewegen sich die Einstiegsgehälter in Leverkusen meist zwischen 2.600 € und 3.200 €. Wer Erfahrung aus der internen Kommunikation oder anderen Medienbereichen mitbringt, kann auch mit 3.400 € bis zu 3.600 € rechnen. Extravaganzen sind hier selten, Überstunden öfter. Die Frage, ob das gerecht ist, stelle ich offen in den Raum.
Was sich verändert hat? Die Digitalisierung, klar. In Leverkusen nimmt der Druck zu, schnell und zielgruppengerecht zu kommunizieren, gerade wenn es um heikle Themen geht – Chemieunfälle, Infrastruktur, Standortmarketing. Wer jetzt als Assistent Pressestelle startet, findet heute mehr Software-Tools, digitale Monitoringlösungen und (nicht zu vergessen) den Dauertrend zu Social Media. Aber: Der persönliche Abschluss zählt immer noch, vor allem im regionalen Kontext. Fortbildungen im Bereich digitale Kommunikation, Textkompetenz oder Videoproduktion gibt es zuhauf – aber niemand sollte unterschätzen, dass es auf die Praxis ankommt, nicht auf das Zertifikat an der Wand.
Vielleicht ist das am Ende der entscheidende Punkt: Wer als Assistent Pressestelle in Leverkusen arbeitet, bekommt nicht nur den Blick auf den täglichen Spin, sondern auf die versteckten Dynamiken der Stadt. Und das – davon bin ich überzeugt – ist die eigentliche Schule, nach der kein Prüfungsamt je gefragt hat.
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