Hochschule Furtwangen | 78532 Tuttlingen
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Wer morgens in Freiburg mit Blick auf die grünblau gestaffelten Hügel des Schwarzwaldes zum Arbeitsplatz aufbricht, wird selten daran erinnert, dass unter der glatten Oberfläche der Region eine beachtliche Ingenieurstradition brodelt. Angewandte Mechanik – klingt zugegeben nach staubigen Formeln aus der Vorlesung, nach Zahnrädern und Berechnungen, bei denen Laien schon nach der ersten Kaffeepause kapitulierend abwinken. Ist es aber gar nicht. Schon die Berufsbezeichnung spiegelt ein Spektrum, das weit hinausgeht über das simple Abarbeiten von Teilzeichnungen. In Freiburg verschleifen sich dabei die Grenzen zwischen dem klassischen Ingenieurhandwerk und neuartigen Disziplinen – viel häufiger als anderswo, so scheint es mir manchmal.
Aber woran liegt das? Natürlich an der Uni. Wer hier an der Fakultät für Maschinenbau sitzt oder eine Technikerstelle in einem stadtansässigen Mittelständler ergattert hat, erlebt Tag für Tag, wie Theorie auf industrielle Wirklichkeit trifft. Unternehmen wie die vielen Medizintechnik-Start-ups oder die renommierte Automobilzulieferer-Szene im Dreiländereck fordern heute ein breites Arsenal: Festigkeitslehre, Dynamik, Konstruktionswissen – und bitte immer mit digitalem Zwischenschritt. Klassische Berechnungsmethoden? Ja, aber nur, wenn das Simulationsmodell nicht schon vorab die Schwachstelle markiert. Mir scheint, viele Neueinsteiger unterschätzen, wie stark heute Teamarbeit und interdisziplinäres Verhandeln gefragt sind. Wer glaubt, als Einzelkämpfer im Labor oder an der CAD-Station durchzukommen, irrt. Hier macht keiner alles allein – zumindest niemand, der länger als ein Quartal dabei bleibt.
Das Spannende für Berufseinsteigerweise: Die Bandbreite an Einstiegswegen ist in Freiburg besonders divers. Je nach Abschluss und Praxiserfahrung kann die Anforderung im Unternehmen dramatisch variieren. In einer ganz klassischen Engineering-Schmiede wartet vielleicht ein knallhartes Simulationsthema – Tribologie an Brückenelementen, zum Beispiel. In einem jungen Medizintechnik-Betrieb muss man am nächsten Tag zwischen Teammeeting und Werkstattfertigung vermitteln. Ich sage manchmal: Wer nie lernen möchte, sich an neue Nischen heranzutasten, wird in diesem Feld nicht glücklich. Klar, Routine gibt’s auch – aber selten länger als die Halbwertszeit des nächsten Projektauftrags.
Apropos Routine: Das Gehaltsniveau schwankt wild. Einstiegsgehälter liegen meist irgendwo zwischen 3.500 € und 4.200 € – je nach Abschluss, Betriebsgröße und, ja, manchmal auch Verhandlungsgeschick. Wer als Techniker oder Spezialistin einen besonders gefragten Nischenbereich abdeckt – etwa im Bereich Faserverbund oder Mikromechanik –, kann auch als Berufsanfänger durchaus mal an der 4.500 €–Marke kratzen. Allerdings: Die Lebenshaltungskosten in Freiburg beißen. Kein Märchen. Gerade wenn man nicht jeden Monat im Mensawohnheim abtauchen möchte, überlegt man zweimal, welchen Job man nimmt oder wohin der nächste Karrieresprung führt.
Was viele unterschätzen: Freiburg ist zwar verhältnismäßig klein, aber seine Unternehmen stehen im permanenten Austausch – mit der Forschung im Rücken und dem internationalen Markt im Nacken. Das Tempo zieht an, sobald einmal die Türen zum Weinberg-Innovationslabor, zum Technologietransfer oder zu den vielen Energie- und Umweltinitiativen aufgehen. Wer nur auf eine Branche setzt – klassischer Maschinenbau, fertig –, guckt schnell in die Röhre. Der wirtschaftliche Fokus verschiebt sich immer mehr Richtung nachhaltige Technologien, hybride Werkstoffe, Automatisierung im Kleinen wie im Großen. Wer hier nicht flexibel bleibt, hat bald das Nachsehen. Hart, aber wahr.
Und nun? Für mich heißt das: Sich selbst nie als fertiges Produkt sehen. In Freiburg gilt doppelt, was andernorts leere Phrase bleibt: fachlich nachschärfen, über den Tellerrand schielen, Kollegen aus anderen Disziplinen immer mal wieder ansprechen (gegen eventuelle Bedenken). Mechaniker – im klassischen wie im übertragenen Sinn – brauchen heute Neugier und Anpassungsfähigkeit, um auf lange Sicht zu bestehen. Eigentlich logisch. Nur wird man daran immer erst dann erinnert, wenn das erste komplexe System nicht so funktioniert, wie man es im Studium gelernt hat.
Ob das jetzt Mut macht? Schwer zu sagen. Was ich aber ziemlich sicher weiß: Wer in Freiburg Angewandte Mechanik lebt – und nicht bloß den Titel trägt –, kann beruflich ebenso überraschend weiterkommen, wie sich die Wetterumschwünge am Rand des Schwarzwalds anfühlen: manchmal ruppig, aber nie langweilig. Und oft kommt die Inspiration aus Richtungen, mit denen man am wenigsten gerechnet hätte.
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